Acht Zeitzeugen blicken auf ein dreiviertel Jahrhundert zurück – Erinnerungen zum internationalen Gedenktag der Befreiung von Auschwitz an unserer Schule
Es stimme einfach nicht, von einer Friedenszeit nach 1945 zu sprechen, meinte Federico Steinhaus am vergangenen Montagvormittag vor rund 200 Schülern des Realgymnasiums „Albert Einstein“ und der Technologischen Fachoberschule „Oskar von Miller“. Erinnerung und Zeitzeugenschaft standen im Mittelpunkt des heurigen „Memorial-Day“, zu dem die Geschichtslehrer einluden.
Gleich drei denkwürdige Ereignisse prägen das Jahr 2014. Zum einen der Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor genau hundert Jahren, zum anderen die Option und der Beginn des Zweiten Weltkriegs vor genau 75 Jahren. Gründe genug, um zum internationalen Gedenktag der Befreiung von Auschwitz, der an der Schule seit acht Jahren mit einem besonderen Vormittag verknüpft wird, Zeitzeugen einzuladen.
Unter der Moderation des Journalisten Eberhard Daum spannten die acht geladenen Gäste in der Aula der Schule einen Bogen, der ein halbes Jahrhundert Geschichte lebendig und persönlich werden ließ. Die Älteste unter ihnen, die Oberschullehrerin Ina Schenk, berichtete den Jugendlichen von ihrer Kindheit in Meran, als Dableiberin und auch noch Angehörige der evangelischen Gemeinde. Sichtlich
betroffen erzählte sie von der Festnahme ihres Vaters und seiner glücklichen Heimkehr aus Buchenwald.
Von der Deportation der Juden aus Meran nach 1939 und der Nachkriegszeit, als Südtirol sowohl für Juden als auch Naziverbrecher Durchzugsland war, berichtete der Historiker und ehemalige Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde Meran, Federico Steinhaus. Unterschiedlich erlebten die Autorin Waltraud Holzner in Wien und der Vorsitzende der Partisanenbewegung in Südtirol (ANPI), Lionello Bertoldi, das Kriegsende von 1945. „Wacht auf!“, motivierte der ehemalige Senator die Jugendlichen, die Gleichgültigkeit sei das schlimmste Übel.
Auf die Nachkriegszeit gingen vor allem der Unternehmer Karl Pichler und die ehemalige Landtagsabgeordnete und Präsidentin des Wohnbauinstituts Rosa Franzelin Werth ein. „Wer in den siebziger und achtziger Jahren keine Schulden gemacht hat, war unternehmerisch gesehen dumm“, meinte Pichler und sprach zugleich von den wirtschaftlich besten Jahren des 20. Jahrhunderts. Umso schärfer fiel dann seine Kritik an den heutigen Banken und der gesamten Wirtschaftslage aus. Es werde wohl nicht einfach für junge Menschen in Zukunft, bedauerte der Unternehmer.
Der Wohlstand von heute sei hart erarbeitet und politisch erkämpft, betonte Rosa Franzelin Werth. Vielen sei dies nicht mehr bewusst. Die Politikerin berichtete von der Zeit, als nur ein geringer Teil der Südtiroler Eigentumswohnungen besaß, von der schwierigen Situation der Rücksiedler nach 1945 und den entbehrungsreichen Aufbaujahren, die folgten. Nicht zu vergessen und das Erarbeitete wert zu schätzen, legte auch der Meraner Architekt und ehemalige Gemeindepolitiker Karl Augsten den Schülern ans Herz.
Von seinem abenteuerlichen Leben als Picasso-Schüler und Inneneinrichter luxuriöser Villen in den USA erzählte schließlich Gunther Erhart und ermutigte dazu, in die Welt hinaus zu ziehen und Erfahrungen zu sammeln. Jeden Menschen sein zu lassen, wie er ist, Fehler zu akzeptieren und die Welt kennen zu lernen, war am Ende der zweistündigen Begegnung der Rat, den Ina Schenk den Jugendlichen mit auf den Weg gab. (sep)