Es gibt so etwas wie die Wahrheit und solange sich die Demokratie ihr verpflichtet sieht, hat sie nichts zu befürchten: So lautete der Tenor der Tagung “Sind wir mit unserer Demokratie am Ende?” anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages am 27. Jänner.
Der Gedenktag wird an der Schule traditionsgemäß in der Auseinandersetzung mit einem aktuellen Thema begangen. „Sind wir mit unserer Demokratie am Ende?“ lautete die Frage, auf die im Rahmen einer Tagung am vergangenen Freitagvormittag die Oberschüler mit prominenten Gästen nach Antworten suchten.
Aus verschiedenen Gründen lebten wir in unruhigen Zeiten, sagte Schuldirektor Alois Weis. Kritik an der Demokratie gehöre mittlerweile fast zum guten Ton. Aber ist sie berechtigt, fragte Vizedirektor Josef Prantl, und wie können Demokratien den Herausforderungen genügen, die Globalisierung, eine immer komplexere Welt, nukleare Bedrohung, Folgen des Klimawandels und digitale Revolution mit sich bringen? Geschickt lenkte Eberhard Daum die Gesprächsrunde zu einem brisanten Thema.
Wir sollten unser Demokratiemodell an die digitalen Veränderungen anpassen, meinte Roland Benedikter. Der Politikwissenschaftler an der EURAC sprach von Feinden, denen es nur recht sei, wenn unsere freiheitliche demokratische Grundordnung vor die Hunde geht. Umso wehrhafter müssten wir auftreten und unseren Blick über den lokalen Horizont hinauswerfen auf die globalen Veränderungen, welche uns alle bald schon vor große Herausforderungen stellen werden. Konkret nannte er Künstliche Intelligenz, Chinas weltweite Einflussnahme auch in Südtirol, das Auseinanderdriften der Gesellschaft durch Mächte und innere Kräfte, die gegen die Demokratie operieren.
Umso wichtiger sei es, sich an Werten zu orientieren: „Gemeinsam Staat und Gesellschaft zu gestalten, in der niemand Angst haben muss, auch wenn er anders ist“, definierte Ivo Muser den Demokratiebegriff. Demokratie brauche vor allem Dialog und das ehrliche Bemühen um einen tragbaren Konsens. „Denn wenn wir nicht mehr einander zuhören können, dann gehen wir aufeinander los“, sagte der Bischof.
Demokratie heiße Volksherrschaft und das bedeute, dass wir nicht einem anderen folgen müssen, sagte Julia Unterberger. „Nicht einem, der uns regiert!“, so die Senatorin mit Blick auf China, Russland, den Iran. Die repräsentative Demokratie habe sich bewährt, auch wenn der Wählerwille oft recht irrational ausfalle, meinte Unterberger. Eine Möglichkeit für Gerechtigkeit, sei die Demokratie, sagte Schülervertreter Nicolas Natella. Demokratie könne uns eine Zukunft ermöglichen, in der man leben möchte. Sie funktioniere aber nur mit mündigen Bürgern und intelligenten und vertrauenswürdigen Politikern. Vieles hänge von jedem Einzelnen ab, meint dann auch Stephan Lausch. Demokratie sei nicht ein Zustand, sondern ein Prozess, so der Gründer der „Initiative für mehr Demokratie“. Lausch forderte Partizipationsmöglichkeiten für den Einzelnen, in Form von Volksabstimmungen, Bürgerräten und dergleichen.
Angesprochen wurden auch der Lobbyismus, die Gefahren, die von den sozialen Medien ausgehen und der erstarkende Populismus. Eine verkappte Form von Korruption bezeichnete Emil Mair bestimmte Formen des Lobbyismus in der Politik. Vor allem, wenn potente Wirtschaftsmächte nur auf das eigene Wohl schauen, wie der Schülervertreter unterstrich.
Mit dem Gedicht „Schemà“ wurde der Gedenktag an der Schule eröffnete. Direktor Weis erinnerte an die Schoah und rief dazu auf, nicht zu vergessen. In seinem Gedicht „Schemà“, was so viel wie „Höre!“ heißt, fordert Primo Levi von uns, Verantwortung zu übernehmen, was um uns herum geschieht und nicht wegzuschauen, wenn Unrecht geschieht. Musikalisch umrahmt wurde der Gedenktag mit jiddischer Musik, vorgetragen von Belinda Miggitsch und Matteo Scalchi.