Er war bereits Gast an unserer Schule: Lionello Bertoldi (Partisanenverband) mit Schülern auf der „Reise der Erinnerung“
Ein außergewöhnliches schulübergreifendes Projekt zu den schrecklichen Jahren von 1939 bis 1945 führte auf eine „Reise der Erinnerung“ .
Nur die Erinnerung schafft die Voraussetzung für Frieden und Versöhnung im Europa der Zukunft. Diesem Leitsatz verpflichtet sah sich das schulübergreifende Projekt „Reise der Erinnerung“. Dabei standen die schrecklichen Jahre von 1939 bis 1945 im Mittelpunkt der Arbeiten, Begegnungen und Auseinandersetzung der 31 Oberschüler/innen. Dass es auch in Bozen ein Konzentrationslager gegeben und dass sich auch bei uns in Südtirol Widerstand gegen die nationalsozialistische Besatzung geregt hat, vor allem aber, dass die SS in Italien schreckliche Massaker verübt habt, wissen nur wenige. Davon überzeugt, dass diese dunklen Kapitel der Geschichte angesprochen werden müssen, lud die Bozner Sektion der Vereinigung der Partisanen (ANPI) zwei Oberschulklassen zu einem außergewöhnlichen Projekt ein.
Die Klasse 3 ABW auf der „Reise der Erinnerung“
Von deutscher Seite nahm die 3. Klasse Bauwesen der Technologischen Fachoberschule Meran, von italienischer Seite die 2. Klasse des Sprachengymnasiums „Ghandi“ an der „Reise der Erinnerung“ teil. Unterstützt wurden sie dabei auch vom italienischen Schulamt, dem Amt für Jugendarbeit und der Plattform „Resistenza-Widerstand“. Während für Südtirol der Sturz Mussolinis 1943 eine Befreiung vom Joch des Faschismus bedeutete, begannen für Italien zwei Jahre nationalsozialistischer Besatzung. Das faschistische Italien war bis zum Sommer 1943 mit dem Deutschen Reich verbündet.
Nach der Absetzung Mussolinis und der anschließenden Kapitulation Italiens gegenüber den Alliierten besetzte die Wehrmacht Norditalien und etablierte hier einen neuen faschistischen italienischen Marionettenstaat. Etwa 600 000 italienische Soldaten, die den weiteren Kampf an deutscher Seite verweigerten, wurden entwaffnet und zur Zwangsarbeit nach Deutschland transportiert, wie der Historiker Carlo Romeo den Schülern im ersten Teil des Projektes schilderte. Geprägt von Unterdrückung, Option und Misshandlungen waren viele Südtiroler anfangs über die „Befreiung“ durch die Nazis erfreut, erklärte Leopold Steurer.
Aber auch bei uns regte sich Widerstand. Steurer verwies auf den „Andreas-Hofer-Bund“ und Franz Thaler, dessen Buch „Unvergessen“ die Schüler als Vorbereitung gelesen hatten. Mit dem Bau des Durchgangslagers von Bozen mit seinen insgesamt rund 9000 Gefangenen (darunter auch der bekannte italienische Showmaster Mike Bongiorno) erreichte der NS-Terror auch bei uns seinen Höhepunkt. Vom ehemaligen Senator und ANPI-Präsidenten Lionello Bertoldi erfuhren die zwei Klassen vor Ort vom Schrecken des Lageralltags.
Nach Fossoli und Triest war Bozen das dritte große Konzentrationslager in Italien. Bleibende Eindrücke erhielten die Schüler auf der zweitägigen „Reise der Erinnerung“ nach Marzabottto nahe Bologna. Das Massaker, das Einheiten der Waffen-SS Ende September 1944 im Apennindorf in den Siedlungen am Monte Sole verrichteten, gehört zu den schlimmsten Kriegsverbrechen in Italien. Als Racheakt auf die dauernden Angriffe der Partisanengruppe „Stella Rossa“ wurden 770 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, kaltblütig erschossen.
Ein besonderer Ort der Erinnerung ist auch das Haus der Bauernfamilie Cervi in Gattatico unweit von Verona, das Gegnern des Faschismus und der deutschen Besatzung Unterschlupf bot. Im November 1943 stürmten italienische Faschisten das Haus. Die sieben Brüder wurden gefangen genommen und dann erschossen. Die Gedenkstätte, die die Schüler besuchten, beherbergt heute das nach dem Vater benannte Institut und Museum Alcide Cervi.
Dass die Schüler von den zwei Schuldirektoren Franz Josef Oberstaller und Riccardo Aliprandini, aber auch vom italienischen Schullandesrat Christian Tommasini, Schulamtsleiterin Nicoletta Minnei, den Lehrpersonen Josef Prantl, Roberta Maci und Elena Chiozzi sowie Mitgliedern des ANPI begleitet wurden, verlieh dem Projekt eine besondere Note. Wachsam die Verfassung zu hüten und Frieden und Freiheit nicht als selbstverständlich anzusehen, legte Lionello Bertoldi zum Abschluss allen ans Herz.
(sep)