Wie die Gerüche unser Gehirn steuern

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Ex-RGler Johannes Frasnelli ist Professor an einer kanadischen Uni.

„Science Night“ in Algund mit Prof. Johannes Frasnelli

Liebe geht durch die Nase, wenn auch unbewusst. Johannes Frasnelli forscht darüber. Der gebürtige in Kanada an der Trois-Rivières-Universität lehrende Algunder hat sich ganz den Gerüchen verschrieben. Am Donnerstag Abend erzählte er auf der traditionellen „Science Night“ des Realgymnasiums und der TFO Meran im Algunder Vereinshaus von chemischen Signalstoffen, die nicht nur in der Tierwelt eine große Rolle spielen.
Ein Gespräch mit dem Ex-RGler.

„D“: Nach der Matura am Realgymnasium Meran haben Sie sich für ein Studium der Medizin in Wien entschieden. Bereits in Ihrer Abschlussarbeit befassten Sie sich mit Gerüchen. Wie kamen Sie auf dieses spezielle Thema?

Johannes Frasnelli: Obwohl mich der Geruchsinn immer schon interessiert hat – ich habe immer gerne gegessen und getrunken – war das ein Zufall. Auf der Homepage der HNO-Klinik der Universität Wien bin ich als junger Student auf eine Anzeige gestossen, dass ein Proband für eine Doktorarbeit zum Thema Riechen gesucht wird. Ich habe mich sofort gemeldet und seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen.

„D“: Was meinen Sie mit der Aussage, Gerüche seien wie Fenster ins Gehirn?

Frasnelli: Der Geruchsinn funktioniert aus neuroanatomischen Gesichtspunkten völlig anders als die  bekannten Sinnessysteme. Informationen von der Nase gelangen direkt in Gehirnbereiche, die auch für Emotionen, Erinnerungen, Lernen und Belohnung zuständig sind. Wennn diese Hirnareale allerdings beschädigt sind, kommt es sowohl zu einer Beeinträchtigung ihrer Funktionen als auch des Geruchsinnes. Riechtests können uns also eine Aussage darüber machen , ob es zu Verletzungen in diesen Gehirnbereichen gekommen ist.

Veranstalter und Referent (rechts im Bild Martin Geier)

Veranstalter und Referent (rechts im Bild Martin Geier)

„D“: Sie arbeiten als Professor für Neuroanatomie an der Université du Québec à Trois-Rivières. Was hat Sie nach Kanada verschlagen?

Frasnelli: Ich bin als Postdoctorand für anderthalb Jahre nach Kanada gegangen. Während dieser Zeit habe ich meine zukünftige  Frau kennengelernt und mich entschieden, dort zu bleiben.

„D“: Der Schwerpunkt Ihrer Forschungsarbeit beschäftigt sich mit Gerüchen. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Frasnelli: Meine Forschungsgruppe und ich beschäftigen uns hauptsächlich mit zwei  Fragestellungen: Zum Einen  möchten wir verstehen, wie unser Gehirn Informationen von der chemischen Zusammensetzung unserer Umgebung aufnimmt und verarbeitet. Wir wollen beispielsweise nachvollziehen, warum manche Düfte angenehm und andere unangenehm sind, was bei der Wahrnehmung von Lebensmitteln im Gehirn geschieht, ob wir den Geruchsinn trainieren können, aber auch, ob es beim Menschen Pheromone gibt, gemeint sind Stoffe, die von einem Menschen abgegeben werden und die in einem anderen Menschen spezifische physiologische Reaktionen auslösen. Zum Anderen wollen wir herausfinden, inwieweit bestimmte Erkrankungen den Geruchsinn spezifisch beeinträchtigen.

„D“: Neben dem Tast-, Seh- und Hörsinn gibt es also auch einen chemischen Sinn?

Frasnelli: Riechen, Schmecken, aber auch die Wahrnehmung der Schärfe von Peperoncino oder der Kühle von Pfefferminze sind das Ergebnis des direkten Einwirkens chemischer Stoffe auf unseren Körper. Wir fassen diese Sinne als chemische Sinne zusammen.

„D“: Wie kann Ihr Forschungsgebiet für die Medizin nutzbar gemacht werden?

Frasnelli: Einserseits können uns Riechtests eine Aussage über den Zustand von gewissen Gehirnbereichen geben. Zum anderen weisen unsere Arbeiten auch darauf hin, dass ein Riechtraining, gemeint ist das spezifische Trainieren der Riechleistung, zu einer Verschärfung des Geruchsinns, aber auch zu einer Veränderung des Gehirngewebes im Sinne einer Zunahme führen kann. Die genauen Zusammenhänge verstehen wir aber selber noch nicht so genau.

„D“: Alzheimer oder Parkinson sind schlimme Erkrankungen. Wie wirken sich diese Krankheiten auf den Geruchssinn aus?

Frasnelli: Wenn man an einen Patienten mit Parkinson-Erkrankung denkt, stellt man sich jemanden mit dem typischen Zittern vor. Das Zittern betrifft aber nur rund drei Viertel der Patienten mit Parkinson. Rund 95% der Erkrankten weisen hingegen eine Riechstörung auf, die rund 10 bis 15 Jahre vor den anderen Symptomen auftritt. Dasselbe gilt für die Alzheimer-Erkrankung, bei der ebenfalls eine übergroße Mehrheit der Patienten eine Störung des Geruchsinnes aufweist. Theoretisch könnte man also Riechtests in der Früherkennung dieser Krankheiten verwenden. Wir arbeiten daran, dies umzusetzen.

„D“: Inwieweit erklärt sich durch Ihre Forschung das menschliche Gehirn besser?

 Frasnelli: Das Gehirn ist ungeheuer komplex. Wir besitzen an die 90 Milliarden Nervenzellen, die alle miteinander verbunden sind. Gemeinsam mit tausenden anderen Forschungsgruppen weltweit leisten auch wir unseren Beitrag, um irgendwann einmal zu verstehen, wie diese Nervenzellen miteinander kommunizieren und untereinander wechselwirken. Letztlich suchen wir nach Antworten auf die Fragen, wie unser Gehirn funktioniert und schlussendlich, warum wir Menschen so sind, wie wir sind.

„D“: Im Bioobstbau werden Pheromone bereits eingesetzt. Können Sie uns dies näher erläutern?

Frasnelli: Vor allem bei Insekten sind Pheromone Substanzen, mit denen Vertreter einer Spezies miteinander kommunizieren. Man kann sich Pheromone wie Hormone vorstellen, die in die Umgebung abgesondert werden und so andere Individuen derselben Spezies beeinflussen. Pheromone wirken in ganz geringen Mengen. Durch ihren Einsatz kann man daher fast chriurgische Wirkungen erzielen und auf einzelne Insektenarten abzielen. Man kann somit das großflächige Ausbringen von „chemischen Keulen“ vermeiden, die unspezifisch alle Insekten töten.

„D“: Für die Lebensmittelindustrie ihr Ihre Forschung wohl auch wichtig?

Frasnelli: Wir Menschen haben alle eine sehr innige Beziehung zu Essen und Trinken, auch weil dabei ständig Riechreize empfangen und verarbeitet werden. Wie bereits gesagt werden diese Reize in Gehirnbereichen verarbeitet, die auch für Emotionen und für das Gedächtnis zuständig sind. Das ist für die Lebensmittelindustrie, aber auch die Gastronomie interessant. Wir haben in der Tat einige gemeinsame Projekte.

„D“: „Contact 18“ oder „Desire22“ heißen Pheromondüfte, die im Internet  teuer gekauft werden können. Halten diese „Lockstoffe“ auch das, was sie versprechen bzw. gibt es überhaupt menschliche Pheromone?

Frasnelli: Dieses Frage wird mir immer wieder gestellt. Für den Menschen sind keine Pheromone bekannt und die Substanzen der genannten Parfüms haben keine derartige Wirkung auf den Menschen.

„D“: „Die Chemie zwischen uns stimmt“: Welche Wahrheit steckt hinter dem geflügelten Wort?

Frasnelli: Jeder Einzelne von uns hat einen charakteristischen Körpergeruch. Er ist das Ergebnis verschiedenster Chemikalien, die wir mit unseren Schweißdrüsen absondern. Mit diesem Körpergeruch wirken wir, oft unbewusst, gegenseitig auf uns ein. Wir haben Vorlieben, und der Körpergeruch spielt bei der Anziehung zwischen Partnern eine große Rolle. Je nach Situation kann er anziehen, anregend oder erregend wirken.

„D“: Sie sprechen neben Ihrer Muttersprache Deutsch auch Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Wie lernt man so viele Sprachen?

Frasnelli: Das Wichtigste bei Sprachen ist es, sie zu sprechen. In der Schule liegt der Schwerpunkt bei der Vermeidung von Fehlern und am besten vermeidet man Fehler, indem man die Sprache gar nicht verwendet. Das ist der falsche Zugang. Man sollte keine Angst vor Fehlern haben. Sprache dient der Vermittlung von Informationen und die Hauptsache ist, dass mein Gegenüber mich versteht. Wenn man das einmal verinnerlicht hat, verliert man die Hemmungen und wenn der Gesprächspartner  sieht, dass ich mich bemüht, mit ihm in seiner Sprache zu kommunizieren, wird er einem auch die Fehler verzeihen. Und dann muss man üben, üben, üben.

 

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